Donnerstag, 27. November 2014

Serienprotokoll (8)



Lange Zeit lag nicht nur dieser Blog brach, sondern auch die Kategorie Serienprotokoll. Nur, was soll man auch tun, wenn es kaum oder sogar nichts zu berichten gibt? Ähnlich wie mein Filmkonsum (nur drei Filme im Oktober 2014!) hat sich auch mein Serienkonsum durch den neuen Vollzeitjob (den ich bereits jetzt nicht missen möchte, nur damit keine Unstimmigkeiten aufkommen) reduziert. Und es verschiebt sich alles etwas.
Doch nun, nach der Durststrecke ein kühles Getränk in Form der letzten gesehenen Serienstaffeln.



THE BIG BANG THEORY (Staffel 6)

Nachdem ich bei der letzten Staffel das Gefühl hatte, die Serie wäre inzwischen zu genügsam, zu kalkulierbar und dadurch auch weniger unterhaltsam geworden, ist Staffel 6 wieder die grundsolide Comedynahrung, die man erwarten darf. Die Geschichten sind etwas knackiger, die Gags besser – und gerade deshalb wünscht man sich, die ProSieben-Sender würden die Serie nicht durch exzessives Wiederholen immer und überall todreiten. The Big Bang Theory ist durchaus witzig, aber der telemediale Overkill wird der Serie, die trotz gleichen Erfinders sehr viel besser besteht als der andere Dauerbrenner, Two and a half men, nicht gerecht.

3/4


BITTEN (Staffel 1)

Von all den gängigen Monstren, die unsere Alpträume bevölkern, ist mir der Werwolf das Liebste. Joe Dantes Das Tier gehört zu meiner persönlichen Top 100 und wer könnte jemals die Verwandlungssequenz in American Werewolf vergessen? Bitten ist nun der Versuch, diese Thematik in eine TV-Serie zu bringen, was vielleicht ein interessantes Unterfangen geworden wäre, wenn man sich nicht die leicht schwülstigen Romane von Kelley Armstrong als Vorlage genommen hätte (von denen ich lediglich Teil Eins, Die Nacht der Wölfin, gelesen habe). So richtig verträgt sich das von Natur aus dreckige Werwolfsujet nicht mit der Schickimickiwelt, die Hauptfigur Elena bewohnt und auch wenn gerade diese Kontrast hätte herausgearbeitet werden können, denkt die mitunter sehr langatmige Serie gar nicht daran. Stattdessen gibt es die Geschichte eines noblen Werwolfrudels, dass von Abtrünnigen der eigenen Art massiv bedroht wird – mittendrin Elena, der einzige weibliche Werwolf der Welt, weil Frauen die Transformation normalerweise nicht überleben.
So hangelt sich die Serie mal mehr, mal weniger involvierend zu Folge zu Folge, präsentiert Twilight-konforme Langweiler-Werwölfe (was ist nur aus den Kreaturen der 1980er geworden?) und ist vor allem visuell eine Zumutung. Bitten ist so auf Hochglanz poliert, dass die Menschen manchmal wie die Hubots aus Real Humans aussehen – kein Makel verunreinigt hier den Teint in einer Welt, die immer viel zu sauber und aufgeräumt wirkt. Und dann wäre da noch das katastrophale Körperbild, dass von allen weiblichen Figuren portraitiert wird: die Frauen in Bitten sind dünn – extrem dünn, dünn auf eine Weise, die reichlich grotesk wirkt. Wenn Beine aussehen, als würden sie bei jeder Belastung gleich auseinanderbrechen und Figuren trotzdem vom Abnehmen reden, dann wird Bitten eher zu einer Werbeveranstaltung für ein Schönheitsideal, das an wahrscheinlich 95% aller Frauen vorbei argumentiert. Ach, und Männer, die keine Beaus sind, sterben mit großer Wahrscheinlichkeit früher. Oder sind Idioten.
Letztlich zieht Bitten gegen Ende der Staffel das Tempo so dankbar an, dass man zumindest mit dem dramaturgischen Leerlauf wieder etwas versöhnt wird. Gut oder empfehlenswert wird diese Topmodel-Horrorserie wohl nie werden (es sei denn, Staffel 2 wird zur unglaublichen Überraschung), als extrem routinierte und sehr genügsames Füllmaterial geht sie aber noch durch. Wir können ja weiterhin auf eine gelungene Werwolfserie warten.

2/4


DEFIANCE (Staffel 1)

In einer Welt, in der sich die Qualität einer TV-Serie zunehmend auch durch die epische Erzählung definiert, ist Defiance ein kurioser Anachronismus. Natürlich gibt es auch hier Entwicklungen, die in einer Episode vorbereitet werden und ihren „Payoff“ erst Folgen später erleben, aber insgesamt ist die Science-fiction-Serie sehr dem 1990er-Jahre-Schema einer Serie wie Earth 2 oder seaQuest verpflichtete: der jeweils aktuelle Konflikt ist nach 45 Minuten beigelegt, dazwischen menschelt es etwas, ebenso wie der Actionfan bedient wird. Das ist auf sehr seltsame Weise durchaus charmant, aber die Prämisse hätte eine Erzählart á la Game of Thrones gut gebrauchen können.
Die Erde wurde dereinst vom Votan-Kollektiv ausfindig gemacht, einem Zusammenschluss verschiedenster Spezies, die vor der Zerstörung ihrer Sonnensysteme geflohen waren und auf dem blauen Planeten eine neue Heimat zu finden glaubten. Durch die unglückliche Verkettung von Umständen wurde die Erde versehentlich terraformiert, die Votan und die Menschen dezimierten sich in einem Krieg, der schließlich durch die Erkenntnis beendet wurde, dass man auf diesem Planeten, der nun für alle Spezies‘ fremd war, nur gemeinsam überleben könne. Angesiedelt in der auf den Trümmern von St. Louis erbauten, freien Stadt Defiance erleben der menschliche Gesetzeshüter ___ und seine Alien-Adoptivtochter Irisa den neuen Alltag in einer nun wirklich so zu nennenden Multikulti-Gesellschaft.
Erdacht wurde die Serie von Rockne S. O’Bannon, dem ich für Alien Nation auf ewig dankbar sein werde und einige Elemente, so wie sein Interesse an der Erschaffung einer nicht-menschlichen Kultur, sind auch bei Defiance präsent. Aber durch die schiere Masse an Aliens, Handlungssträngen und Ideen bleibt vieles im Vagen, die Drehbücher sind eher auf eine gängige Struktur hin ausgelegt denn auf einen allumspanneden Handlungsbogen. Doch ich will nicht unken, was nicht ist, kann ja noch werden, auch die von mir immer noch sehr verehrte Serie Babylon 5 hatte ähnliche Anlaufschwierigkeiten. Mitunter ist es grotesk, wie schnell das Problem der Woche gelöst ist, wie schnell man Dinge wie Internierung oder eine der mannigfaltigen Bedrohungen für Defiance aus der Welt räumt, aber die Serie hat genug Fleisch an den Knochen, um in den kommenden Seasons zu einem richtig guten Genrebeitrag zu werden. Komm schon, O’Bannon, wir wissen, dass du es kannst!

2.5/4


SLIDERS – DAS TOR IN EINE FREMDE DIMENSION (Staffel 1 & 2)

Ein kleiner Nostalgieausflug in eine Welt, in der noch Genreserie im RTL-Nachmittagsprogramm liefen, bevor man das apokalyptische Preis-Leistungs-Verhältnis von billigen Shows und schlichtem Schund entdeckte.
Sliders ist eine heftige Dosis 90er-Jahre mit übergroßen Jacken und dem Charme einer „Probleme lösen sich in 45 Minuten“-Struktur, hält sich aber dank der unterhaltsamen und vor allem cleveren Drehbücher sehr gut. Der Zahn der Zeit hat lediglich am Produktionsdesign genagt, will heißen, Sliders sieht aus wie Fernsehen, bevor jede Serie Quality-TV sein wollte (was ja nicht immer positives bedeutet – siehe Bitten). Erfreulich ist vor allem, dass sich die Serie zu Beginn mehr auf soziale und politische Phänomene konzentriert, anstatt einen großen Budenzauber zu veranstalten. Manchmal mag manches etwas naiv wirken, aber es sind sehr viel mehr Überlegungen in die Geschichten geflossen als bei anderen SF-Serien jener Zeit (z.B. Earth 2). Sliders ist sympathische Unterhaltung mit einem unbestreitbaren Nostalgiefaktor, die die fast 20 Jahre seit ihrer Erstausstrahlung besser überstanden hat, als man zu hoffen wagte.

Staffel 1 & 2: 3/4


TRUE BLOOD (Staffel 6)

Eigentlich könnte ich hier auf meine Worte zur sechsten Staffel The Big Bang Theory verweisen, denn ganz ähnlich verhält es sich mit dem sechsten Jahr True Blood: besser als die vorherige Staffel, aber kein großer Wurf. Ein Trash-Fest ist diese Vampir-Opera immer noch, mit Charakteren, die weniger aus sich selbst heraus zu handeln scheinen als aus Drehbuchlaunen, Sex und Gewalt gibt es für das zahlende Publikum und frustrierend wenig genutztes Potenzial noch als Dreingabe. Dass True Blood sich irgendwann einmal wirklich für das Sozialgefüge seiner Welt interessieren wird, diese Hoffnung habe ich aufgegeben. Egal, wie oft die Übernatürlichen als „der Andere“ ins Feld geführt werden, die Serie interessiert sich sehr viel mehr für den nächsten Jahrmarktseffekt (Da! Ein eingetretender Schädel im Staffelfinale! Irgendwie muss die FSK ab 18 ja gerechtfertigt werden!). Und dennoch kann True Blood mit genug manischem Unterhaltungswert aufwarten, dass es zumindest nicht langweilig wird. Die Serie ist, was sie ist: solides Entertainment, dass seinen eigenen subtextuellen Ansprüchen nicht gerecht wird. Das ist gleichermaßen okay wie endlos frustrierend.

2.5/4


THE WALKING DEAD (Staffel 4)

Mit The Walking Dead verbindet mich ja eine starke Hass-Liebe und ich bin selbst erstaunt, dass ich bisher noch nichts zu dieser über alle Maßen erfolgreichen Serie geschrieben habe. Nun, da die vierte Staffel auch im Free-TV durch ist und man kaum ins Internet gehen kann, ohne über Spoiler zur fünften zu stolpern, wird es wohl Zeit, das nachzuholen.
Zunächst sei gesagt, dass ich ein großer Fan des Comics bin, und das ausnahmsweise schon lange vor der TV-Serie. Kirkmans „Zombiefilm, der niemals endet“ verfolge ich bisher ohne größere Einbußen an Spaß, auch wenn ich der erste wäre, der zugeben würde, dass die Serie mit Story Arcs wie All out War nicht nur positives zu bieten hat. Schön ist, dass die Serie Autor Robert Kirkman gehört, er sich also nicht an irgendwelche Konventionen halten muss. Bei der Serie sieht das schon ganz anders aus. Nach einer starken ersten Staffel, in der die inzwischen zum Klischee der Serie gewordenen Elemente noch vom Neuwert und diversen hübschen (für Comicfans) neuen Einfällen übertüncht wurden, wechselte die Serie in eine vom Taumel des Erfolgs viel zu lang geratende zweite Staffel, die nicht nur ziemlich auf der Stelle trat, sondern auch die teilweise obszöne Dummheit der Drehbücher zum Vorschein kommen ließ. Staffel Drei war im Grunde genauso und der TV-Gouverneur konnte seinem Comic-Pendant nie so ganz das Wasser reichen. Hinzu kamen haarsträubende Elemente wie die „Only one black dude“-Regel: T-Dog stirbt, nachdem man endlich anzufangen schien, seinen Charakter mehr Leben einzuhauchen (machen wir uns nichts vor, in Staffel 2 wurde er zu einer fast stummen Hintergrundfigur degradiert), dafür war Oscar sofort zur Stelle, nur um umzukommen, als man sein Potenzial als Stimme der Vernunft inmitten des aufkommenden Wahnsinns von Ricks Gruppe aufflackerte. Aber egal, Tyreese brach ja aus dem magischen Wald, der immer gut für eine Überraschung ist, um den Platz einzunehmen – und aus dem Badass der Comics wurde ein etwas zu softer Kerl, der sich von Carl Grimes herumkommandieren lässt.
Bei Staffel 4 hat man nun das Gefühl, dass die Macher viel der Kritik gelesen, verinnerlicht und versucht haben, sie zu berücksichtigen. Das exzessive Einführen und schnelle Abschlachten von Figuren wird etwas heruntergefahren (auch wenn es immer noch genug davon gibt), neue Protagonisten bekommen mehr Zeit, um sich zu entwickeln und alte Bekannte werden näher beleuchtet. Die Daryl/Beth-Episode dürfte sich auch jenseits von Shipper-Kreisen größerer Beliebtheit erfreuen. Dramaturgisch hat The Walking Dead allerdings immer noch mit einer gewissen Fahrigkeit zu kämpfen. Die erste Hälfte ist temporeich, die Flashbacks mit dem Gouverneur sind hervorragend und machen aus ihm endlich die ambivalente Figur, deren Ausarbeitung die vorangegangende Staffel nicht so ganz bewerkstelligen konnte. Doch danach, mit den Hauptfiguren in alle Winde verstreut (und befreit von jeglicher Last eines Sekundärcharakters), wird die Staffel unkonzentriert, die Reise zum vermeintlich sicheren Platz Terminus gerät zur Lachnummer, weil man es nie schafft, die Weite des Raums erfahrbar zu machen. Gefühlt ist Terminus nur einen Steinwurf vom Gefängnis entfernt, wahrscheinlich auch, weil die Locations zunehmend generischer werden. Jede Lichtung, jedes verlassene Haus sieht gleich aus, gefühlt läuft jede Minigruppe sehr viel auf der Stelle. Ab und zu werden Zombies vernichtet (diese Szenen fangen an, in ihrer Kalkulierbarkeit sehr langweilig zu werden), aber die zweite Hälfte der Staffel generiert sich länger hin als die Erste, trotz identischer Folgenanzahl, vielleicht auch deshalb, weil die Serie Charaktermomente manchmal zu sehr in die Länge zieht, obwohl dem Zuschauer die Intention bereits klar ist. In manchen Folgen hat The Walking Dead für 15 Minuten etwas zu sagen, muss dann aber noch 30 weitere füllen.
Eins kann man The Walking Dead allerdings trotz aller Mängel nicht vorwerfen: dass die Staffel langweilig wäre. Season 4 ist das beste Jahr seit die Untoten zum ersten Mal über die Bildschirme wankten, vor allem, weil es einen erkennbaren Lernwillen an den Tag legt. Es ist noch nicht alles restlos gut im Zombieland rund um den immer mehr zum Wahnsinnigen mutierenden Rick Grimes, aber nach zwei schlingernden Seasons scheint man nun wieder auf Kurs zu sein. Wenn man irgendwann noch dem repetitiven Element Herr wird, die Charaktere also nicht von einem falschen Eden ins nächste hetzt, könnte eine der kommenden Staffeln endlich voll und ganz dem Erfolg gerecht werden, der der Serie beschienen ist.

3/4