Sonntag, 12. April 2015

Serienprotokoll (9)




BEASTS (Komplette Serie)

Großbritannien hat ja schon länger den Ruf, ausgezeichnete Genreserien unters Volk zu bringen und die 1976 erschienene Anthologiereihe Beasts bildet da keine Ausnahme. Mit jeweils anderen Hauptfiguren wurden sechs Geschichten inszeniert, die Menschen in der Begegnung mit verschiedenen Monstren zeigen und die in ihrer Qualität zwar schwanken, aber selbst im schwächsten Beitrag (die Geschichte Buddyboy über einen Geister-Delphin) noch ein Grundmaß an Spannung und Unterhaltung bieten. Natürlich gibt es Highlights (die Folge Baby ist schlichtweg ein Mystery-/Horrorkleinod) und genügsame Durchschnittsware (Dummy wird nur durch den fiebrig agierenden Hauptdarsteller interessant), aber schon allein diese Tatsache ist bei sechs Folgen bemerkenswert. Beasts lebt von seiner Bandbreite, dem bewussten Verzicht von Musik, wodurch die Spannung (gerade in Baby) nur aus sich selbst heraus existieren muss (billige Jump-Scares sind in Beasts nicht zu finden) und den stets involviert wirkenden Darstellern, die in jeweils einer Stunde ihre Charaktere entwickeln. Beasts ist Unterhaltung im besten Sinne, spannend, trotz des geringen Budgets kompetent inszeniert und stets überraschend. Am Ende wünscht man sich, mindestens noch sechs weitere Geschichten erzählt zu bekommen und wahrscheinlich ist das der größte Verdienst der Reihe.

3.5/4


THE BIG BANG THEORY (Staffel 7)

The Big Bang Theory ist eine der am meisten ausgestrahlten Serien im deutschen Fernsehen, die aktuell erfolgreichste Sitcom der Welt und ihre Zukunft ist bereits für mehrere weitere Staffeln gesichert. Und warum ich dieser Serie mag, die ebenfalls aus der Feder Bill Pradys stammende Sitcom Two and a half Men aber nicht, weiß ich immer noch nicht. Und da sich seit der letzten Staffel nichts geändert hat, mache ich es wieder kurz: die Serie ist immer noch auf konstantem Kurs, es gibt ein paar Weiterentwicklungen, die das Gefüge nicht fundamental verändern, die Schauspieler sind weiterhin solide. Radikal in ihrer Ausrichtung wird The Big Bang Theory wohl nie mehr werden, aber das verlangt augenscheinlich auch niemand, auch wenn weniger Füller-Episoden schön wären. So bewegt sich die Serie weiter, unterhält gut und tut nicht mehr, aber auch nicht weniger. Am amüsantesten sind aber inzwischen oftmals die Diskussionen von Nerds außerhalb der Serie, die argumentieren, TBBT wäre eine Art „blackfacing für Geeks“. Augenscheinlich mag es auch der moderne Nerd nicht, mit seinen eigenen Unzulänglichkeiten, und seien sie Teil der Vergangenheit (sorry, aber ich habe genug Leute im echten Leben getroffen, die den in der Serie aufgenommenen Klischees entsprachen – und da schließe ich mich selbst explizit nicht aus), konfrontiert zu werden. Ich wünsche mir etwas mehr Selbstironie im Umgang mit der Serie.

3/4


GAME OF THRONES (Staffel 4)

Game of Thrones ist ein bisschen wie The Big Bang Theory, was die Konsistenz anbelangt: man weiß, dass man gute Unterhaltung geboten bekommt. Hier kommt noch ein Produktionsstandard hinzu, der immer wieder atemberaubend ist. Und dennoch, nach drei sehr guten Seasons hat sich Game of Thrones etwas zu sehr in seiner Welt eingerichtet und präsentiert erwartbares. Man kennt inzwischen die Gewalt, den Sex, die epische Breite und die Intrigen. Dass im Grunde genommen in manchen Handlungssträngen in zehn Stunden bemerkenswert wenig passiert – auch das ist man gewillt zu verzeihen, weil selbst das Wenige spannend erzählt wird. Dennoch schleicht sich ein Wiederholungsgefühl ein und dass die Serie so etwas wie Vergewaltigungen inzwischen als bloßes Stilmittel einsetzt, dass zudem konsequenzlos bleibt, ist ziemlich ärgerlich. Immerhin ist es wieder ein Fest, Tyrion bei seinen Plänen und dem sich-aus-Situation-herauswinden zuzusehen und die Stürmung der Eiswand ist eine so beeindruckende Actionsequenz, dass man sich wieder einmal daran erinnern muss, dass dies nicht mehr das Fernsehen aus Knight Rider-Zeiten ist. Game of Thrones ist immer noch sehenswert, aber die Serie läuft langsam Gefahr, von dem Erfolg so beschwipst zu sein, dass sie sich nur noch auf sicheren Bänken auszuruhen beginnt. Das wäre auf Dauer für eine Saga, in der so ziemlich alles an menschlichen und politischen Abgründen verhandelt werden kann, dann doch zu wenig.

3/4


GILMORE GIRLS (Komplette Serie)

Nach Jahren des immer nur einzelne Episoden sehens habe ich es nun endlich geschafft, alle sieben Staffeln hintereinander in korrekter Reihenfolge zu goutieren. Und was soll ich sagen: Gilmore Girls ist eine hervorragende Wohlfühl-Serie, die selbstredend niemals „gritty“ oder „edgy“ ist, den Zuschauer aber auch nicht komplett in einen Frottee-Kokon einwebt. Denn hinter den menschelnden Dramen von Charakteren, die einem in beeindruckend kurzer Zeit ans Herz wachsen, verbirgt sich auch ein Kampf des Individualismus gegen einen uniformen Konsumismus. Geld ist in der Welt von Gilmore Girls eine Art McGuffin, der immer wieder dann aus dem Hut gezaubert wird, wenn nichts anderes mehr hilft. Lorelai benutzt ihre Eltern in diesem Sinne immer wieder, keine Frage, aber sie als die meistens gutmütigen Gesichter einer effizienten Gewinnsteigerung wollen es oft auch nicht anders, ja bieten es von sich aus an. Doch gerade die erste Staffel hat den Widerspruch zum Thema, dass sich nicht Korrumpieren wollen. Die Individualisten Rory und Lorelai wollen sich ihre Identitäten nicht durch die gesichtslosen Geldberge nehmen lassen, die ambivalent immer wieder an sie herangetragen werden. Die Kompromisse, die sie eingehen müssen werden dementsprechend immer auf die Vereinbarkeit mit ihren Persönlichkeiten abgeklopft. Viel von dem Drama, dass die Serie so interessant macht, generiert sich aus diesem ewig schwellenden Kampf und es ist kein Wunder, dass die Serie dann am unangenehmsten wird, wenn diese Auseinandersetzung zu Gunsten des Geldes zu kippen scheint. Rorys Einzug ins Poolhaus etwa oder weite Teile der insgesamt schwachen siebten Staffel, in der sich die vermeintliche Kapitulation Lorelais auch auf die so wichtige emotionale Ebene ausdehnt – Christopher bleibt die ganze Serie über eher Eindringling, schon allein, weil er als unentschlossener Wanderer zwischen den Polen der Gilmore-Welt gezeichnet wird. In dieser Hinsicht ist auch Luke interessant, weil er ganz nebenbei dem romantic comedy-Klischee vom Mann, der durch die Frau komplett geändert werden muss, eine sanfte Abfuhr erteilt. Luke wächst mit seinen Aufgaben, keine Frage (die Serie und ihre Figuren sind keine starren Gebilde), aber er verbiegt sich nicht bis zur Unkenntlichkeit. Diese Verlässlichkeit ist wichtig, sowohl für die manchmal wankelmütige Lorelai als auch die Fabrikation der Serienwelt. Hinzu kommt das Coming-of-Age-Element, wenn man Rory beim Erwachsenwerden zusieht und allen Hoch und Tiefs, die dies mit sich bringt. Was man hier als Schwäche ansehen kann, ist die Tatsache, dass Rory trotz aller Konflikte immer etwas zu perfekt wirkt, selbst in ihren Niederlagen. Und dennoch ist die sich über bemerkenswert viele Folgen hinziehende Trennung von Mutter und Tochter (wieder das Stichwort Poolhaus) unfassbar anstrengend, weil man zwar um die Fragilität von intrafamiliären Beziehungen weiß, aber dennoch mitgenommen wird, wenn sie in einer Serie wie Gilmore Girls so offen zu Tage treten.
Über den Rest muss man kaum noch weitere Worte verlieren, denn es wurde bereits so viel gesagt. Die Schauspieler sind großartig und die Dialoge sind teilweise unglaublich – wären sie Kekse, man würde ständig eine beachtliche Menge von ihnen konsumieren. Die Serie nimmt sich Zeit für die Plots und der Ort der Handlung, Stars Hollow, schämt sich niemals, direkt aus einem vom Weltschmerz getriebenen Geist entsprungen zu sein, der sich einen nahezu perfekten Rückzugsort zusammenphantasiert. Zyniker nennen so etwas wohl blauäugigen Eskapismus, was soll’s? Gilmore Girls ist eine Serie mit dem sprichwörtlichen Suchtfaktor, ein bittersüßes Konglomerat aus allem, was gute Unterhaltung von genügsamer unterscheidet.

Komplette Serie: 3.5/4 (bei Einzelaugstellung: beste Staffel: Nummer 1, schwächste Staffel: Nummer 7)


KOMMISSARIN LUND (Komplette Serie)

(ACHTUNG! Der Text enthält Spoiler zum Serienende)

Was der ARD an eigenproduzierten Krimis gebricht (machen wir uns nichts vor, der Tatort ist meistens eine reichlich langweilige Angelegenheit), wertet das ZDF durch skandinavische Ko-Produktionen auf. Die neben Borgen – Gefährliche Seilschaften (ja, auch bei mir noch auf der Watchlist) immer wieder als Beispiel für nordisches Qualitätsfernsehen herangezogenen Serie Kommissarin Lund springt da quasi zwangsläufig ins Gedächtnis. Die drei Staffeln über die wortkarge Ermittlerin Sara Lund, deren Akribie und Besessenheit immer wieder mit ihren zunehmend verzweifelteren Versuchen, einen wirklichen Draht zu ihrer Familie zu entwickeln, kollidieren, sind handwerklich düstere Krimikost, wie sie in Deutschland nur selten in dieser Konsequenz produziert wird. Inhaltlich sind sie allerdings von recht unterschiedlicher Qualität, was zumindest für mich das universelle Lob nicht ganz nachvollziehbar macht. Aber der Reihe nach: die erste Staffel ist hervorragend – spannend, involvierend, trotz der stolzen Laufzeit von fast zwei Stunden pro Folge (und 10 Episoden) nie langweilig, strauchelt sie nur am Ende etwas, indem sie ein etwas forciertes und auch nicht in allen Punkten nachvollziehbares Finale fabriziert, dass die ansonsten sehr gelungene Auseinandersetzung mit Trauer, Wut und Polizeiarbeit unterwandert. So schmälern leider die entscheidenden 10 Minuten am Schluss etwas den positiven Gesamteindruck, ansonsten ist die erste Staffel aber emotional so mitreißend und so clever geschrieben, dass man sich mehr davon wünscht.
Dieser Wunsch wird mit Staffel 2 leider nicht erfüllt. Zwar ist der zweite Anlauf um die Hälfte kürzer als Staffel 1, er fühlt sich aber um einiges länger an, weil – ich muss es einfach sagen – Lund diesmal schlicht langatmig, langweilig und vorhersehbar daherkommt. Die Stilelemente aus dem Auftakt werden brav nach Malen-nach-Zahlen-Manier wieder eingesetzt, allein der Funke will nicht erneut überspringen. Die zweite Staffel Kommissarin Lund ist eine Qual und ich war froh, als sie endlich vorbei war.
Glücklicherweise rappelt sich die finale Season wieder auf und lässt zwar verständlicherweise den dramaturgischen Überraschungseffekt des Beginns vermissen, ist aber wieder knackig inszeniert und nicht ohne interessante Twists. Staffel Drei ist wieder mehr so, wie man sich Krimis wünscht und weniger, wie man sie mit Blick auf Staffel Zwei fürchtet. Leider beendet man die Serie mit einem vollkommenden out-of-charakter-Moment für Lund, der zwar vielfältig interpretiert werden kann (hängt sie beispielsweise kaltblütig ihrem Kollegen etwas an und fliegt gen Kopenhagen anstatt ins Exil?), der aber auch keinen Abschluss für die Figur bedeutet, denn natürlich liebäugelt man auch mit der offensichtlichsten Interpretation und lässt Sara als letztendliche Versagerin dastehen, die es wieder – womöglich für immer – nicht geschafft hat, ihr Leben endlich auf die Reihe zu bekommen. Egal, wie man aus der Serie hinausgeht, Lund kommt nicht allzu gut dabei weg. Man wird das Gefühl nicht los, dass das skandinavische Klischee, sich auch nur rudimentären Happy Ends zu verweigern, hier einer zumindest versöhnlichen Note im Weg steht. Lund ist zu kaputt, um alles nach all den Jahren plötzlich richtig zu machen, aber etwas mehr Liebe zur Protagonistin hätte dem Finale schon gut getan. Immerhin ist Staffel Drei wieder einmal vorzüglich gespielt und durchgängig spannend.
Kommissarin Lund – besser als so ziemlich alle Tatort-Folgen, die ich bisher gesehen habe, nicht ganz so hervorragend, wie sie manchmal gehypt wurde, und trotz der schwankenden Qualität eine Serie, der man auch als sonstiger Krimi-Verweigerer eine Chance geben sollte. Zumindest Staffel Eins ist definitiv empfehlenswertes Fernsehen.

Staffel 1: 3/4
Staffel 2: 1.5/4
Staffel 3: 2.5/4


RECTIFY (Staffel 1)

Ist das Ausspielen von Medienformaten nicht herrlich dumm? Der Roman ist dem Comic überlegen, das Drama der Science-Fiction, die TV-Serie dem Kinofilm oder vice versa. Aus welcher Ecke auch immer, die Arroganz und Ignoranz warten schon darauf, zuzuschlagen, denn, so sollte die Faustregel lauten, es gibt in allen Medien viel Mittelmaß, aber eben auch echte Perlen, die entdeckt werden sollen (um eine ausgelutschte Metapher zu bemühen). So ist es genauso falsch, Kinofilme als das Nonplusultra der medialen Erzählweise hochzuhalten wie TV-Serie ob ihrer (oftmals nur behaupteten) Komplexität ständig nur zu loben. Dieser Ansatz ist der Unterschied zwischen medialen Trüffelschweinen und dumpfen Formatsnobismus. Natürlich gibt es Serien, die eine dünne Geschichte über Gebühr in die Länge ziehen (siehe Welcome to Sweden am Ende dieses Protokolls), aber manche Geschichten scheinen geradezu prädestiniert dafür zu sein, mit einem entspannteren TV-Rhythmus die volle Tragweite der Geschichte entfalten zu können. Rectify ist so ein Beispiel, ein Serienkleinod, dass in einer Episode mit wenigen Gesten mehr erzählen kann als ein ganzer Spielfilm. Upps, Formatsnobismus, Verzeihung!
Wie dem auch sei, die Geschichte von Daniel Holden, der lange Zeit wegen angeblichen Mordes im Gefängnis saß und schließlich wegen neuer DANN-Beweise doch freikommt, gehört serientechnisch zum Besten, was ich in letzter Zeit gesehen habe. Tolle Schauspieler, ein ruhiger, aber dennoch immens involvierender Duktus, grandiose Kameraarbeit und teils berauschende Bilder (in punkto Tableaus macht Rectify dem französischen The Returned-Original Konkurrenz), verbunden mit Charakteren, für die sich sowohl die Drehbücher als auch der Zuschauer Zeit nimmt/Zeit nehmen kann – Rectify ist eine Serie, die man mit jeder Faser seines Körpers erlebt und die auf sehr viel beeindruckendere Weise als beispielsweise The Walking Dead zeigt, was Quality-TV bedeutet.

4/4


WELCOME TO SWEDEN (Staffel 1)

Über Amy Poehler kann ich nichts sagen, weil ich bisher keine ihrer Serien (nein, auch nicht Parks & Recreation) gesehen habe. Wenn sie Talent hat, ist dies auf ihren Bruder Greg augenscheinlich nicht übergegangen, denn seine Serie Welcome to Sweden ist so freudlos, dass es mich immer noch erstaunt, die erste Staffel komplett geschafft zu haben. Und das bei nur zehn Folgen á 20 Minuten! Auch eine Leistung. Skandinavien und amerikanisches Fernsehen scheint keine allzu gute Kombination zu sein, man erinnere sich nur an die enttäuschende zweite Staffel Lilyhammer. Welcome to Sweden unterbietet diese allerdings noch einmal. Die Geschichte eines Steuerberaters, der der Liebe wegen nach Schweden zieht und dort mit der vorherrschenden Lebensweise konfrontiert wird, leidet unter den unsympathischen Figuren, der lustlosen Inszenierung, die selbst 20 Minuten wie eine Ewigkeit erscheinen lässt, und den schwachen Drehbüchern, denn am Ende der zehn Folgen hat man eigentlich nur eine besonders langweilige Romantic Comedy gesehen, inklusive dramaturgisch forcierter Trennung. Greg Poehler zieht wirklich alle Klischeeregister, seine Schwester absolviert ein paar Cameoauftritte, ein ABBA-Mitglied tritt auf, die potenzielle explosive Freundschaft mit einem irakischen Einwanderer wird herausgeschrieben, weil man die Konfrontation scheut – oder einfach zu faul war, sich etwas auszudenken. Welcome to Sweden ist dumpfe Comedy ohne Esprit und maximal ein guter Gag pro Episode rechtfertigt noch lange nicht die restlichen 19 ½ Minuten, durch die man sich dann pro Folge kämpfen muss. 200 Minuten ist diese erste Staffel lang – es erscheint wie ein ganzes, vergeudetest Leben, dem man keine Fortsetzung wünscht.

1/4

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