Mittwoch, 10. Oktober 2012

Es ist Kunst! - Ja, verdammt!

Bildquelle: Pixarblog

Am vergangenen Samstag, quasi um die Aufnahme von Der Schrottplatz in die offizielle Selektion des vierten Montrealer Stop-Motion Film Festivals zu feiern, haben meine Frau und ich die noch bis zum 06. Januar 2013 in der Bonner Bundeskunsthalle zu sehende Ausstellung PIXAR - 25 Years of Animation besucht. 
Was soll ich sagen? Hervorragend! Ich bin ja auch ein Fan von Art of...-Büchern und die gesamte Ausstellung ist im Grunde so etwas. Keine interaktiven Inhalte, keine Filmausschnitte (wenn man mal von der Illustrierung der einzelnen Arbeitsschritte beim Entstehen einer Sequenz absieht -- aber die kennt man als geneigter Fan ja ohnehin bereits von diversen DVD-Extras), nur ein sehenswertes Toy Story Zoetrop und ein etwas langatmiges Artscape, ansonsten: Skizzen, Scribbles, Color Sheets, Modelle und noch mehr Skizzen. Das sich unter solchen anwendungsbezogenen Gebrauchsdingen auch echte künstlerische Schätze verbergen können, sollte klar sein. Ist es aber nicht. PIXAR in der Bundeskunsthalle, dieser Umstand muss sich scheinbar ständig verteidigen. Es ist das alte Lied von der Frage, ob Kino für die Massen künstlerisch wertvoll sein kann und da PIXAR ausschließlich Trickfilme produziert, wird das Lied umso lauter gespielt. Kein Artikel, sei er auch noch so positiv, kommt da herum (und ich schließe mich gar nicht aus, schließlich schreibe ich ja nun auch darüber).
So liest man beispielsweise in epd Film:
"Nachdem sie mit TOY STORY 1995 ihr Langfilmdebüt gaben, galten die Burbanker Pixar-Studios als ein merkwürdiger Sonderfall in Hollywood. Sie produzierten Filme, die, unter dem Deckmäntelchen der Animation, nicht nur für klingende Kassen sorgten, sondern auch noch bei Kritikern regelmäßig Bestnoten absahnten." (Alexander Gajic: Es ist Kunst!, epd Film 9/10, S. 10)
Deckmäntelchen ist ein furchtbares Wort, impliziert es doch, dass man immer noch überrascht sein muss, wenn Filme ohne reale Schauspieler mehr sind als Kinderunterhaltung und auch Kritiker - o Gott! - sie mögen und feiern können. Man fühlt sich an die Diskussionen in den 70ern erinnert, ob Horrorfilme gut, künstlerisch wertvoll und von Kritikern empfohlen werden könnten. Der weiße Hai ist heute ein anerkannter Klassiker. Damals hätte man sich lieber die Zunge abgebissen als zuzugeben, dass es sich bei diesem sowohl bei Publikum als auch Kritikern beliebten Film um einen schnöden Horrorfilm handelte. Oder dass in Filmen wie Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt auch ruhig blutig geschockt werden durfte, ohne dabei gleich jeglichen Anspruch zu verlieren (all diese Infos habe ich aus Jason Zinomans wunderbaren Buch Shock Value, dass ich jedem Filmfan als kurzweilige Lektüre nur ans Herz legen kann). Nichts anderes illustriert das dezente Wundern, dass versteckte Rechtfertigen, dass etwas wie PIXAR in der Kunsthalle des Bundesrepublik Deutschland ausgestellt wird, ohne dabei zu einer Familien- oder gar Kinderveranstaltung zu werden (epd-Autor Gajic berichtet von gelangweilten Kindern und auch ich kann hier nur betonen, dass die Ausstellung mit seinem klassischen Museumskonzept deutlich auf ein erwachsenes Publikum abzielt). Schon ein Titel wie Es ist Kunst! ist ein Ausruf der versteckten Rechtfertigung.
Natürlich produziert PIXAR Kunst, natürlich bieten viele animierte Filme weitaus mehr als "nur" Kinderunterhaltung und vielleicht kommt irgendwann die Zeit, wenn sich der animierte Film nicht mehr dafür rechtfertigen muss, welche Kunstform man für die Erzählung der jeweiligen Geschichte gewählt hat. Also, auf nach Bonn und das sehen, worüber sich das Feuilleton so wundert: Dass die Entstehung eines animierten Films etwas mit Kunst zu tun hat. Diese Botschaft zu verbreiten ist eine wichtige Angelegenheit, denn sogar während meines Studiums, in einer Umgebung also, in der man klischeehaft annehmen sollte, dass solche Vorurteile einen schwereren Stand hätten, musste ich mich für die gewählten Ausdrucksform rechtfertigen. Animation ist sehr viel mehr, als sich die meisten Menschen auch nur vorstellen können und die Bundeskunsthalle tut ihr Bestes, diesen Horizont zu erweitern. Dankeschön!